Deutschland ist Stromexporteur – auch ohne Atomkraft!
Groß waren die Befürchtungen: Begibt sich Deutschland mit dem endgültigen Vollzug des Atomausstiegs in die energiepolitische Abhängigkeit vom Ausland? Eine Bestandsaufnahme zum Halbjahr zeigt: Die Realität sieht anders aus.
Als Mitte April die letzten drei deutschen Kernkraftwerke vom Netz gegangen waren, reihte sich eine Befürchtung an die nächste: Ist die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet? Kommen wir ohne Lieferungen aus Frankreich überhaupt noch über die Runden?
Jetzt, zweieinhalb Monate später, gibt es die ersten belastbaren Daten, um sich dieser Frage zu nähern. Das FraunhoferInstitut für Solare Energiesysteme ISE hat die Zahlen zur deutschen Stromerzeugung fürs erste Halbjahr 2023 vorgestellt.
Demnach liegt die benötigte Leistung, die Deutschland braucht, um sicher über die Runden zu kommen, je nach Tages- und Nachtzeit zwischen 40 und 65 Gigawatt. Alleine die sogenannte „gesicherte Kraftwerksleistung“, also die Summe der Stromerzeugung ohne die fluktuierenden erneuerbaren Quellen, liegt bei 90 Gigawatt. Solar- und Windstrom kommen dann noch obendrauf.
Die abgeschalteten drei Kernkraftwerke wiesen zusammen eine Leistung von nur vier Gigawatt auf. Auch deshalb ist Deutschland seit jeher ein sogenannter „Nettoexporteur“, liefert also übers Jahr betrachtet mehr Strom ins Ausland, als es importiert.
Aber warum importieren wir dann angeblich massenhaft Atomstrom aus Frankreich?
In den Monaten Juni und Juli wird Deutschland manchmal zum Nettoimporteur, kauft Atomstrom aus Frankreich, Wasserkraft-Strom aus der Schweiz, Erneuerbare Energien aus Dänemark. Das hängt mit den Kräften des Marktes zusammen. Ob ein Land Strom importiert oder exportiert, ist abhängig von den Börsenstrompreisen im Land, also den Erzeugungspreisen, und den Börsenstrompreisen in den Nachbarländern. Im Sommer ist zum Beispiel der französische Atomstrom günstig, weil sich Kernkraftwerke nur schwer drosseln lassen und somit gewissermaßen „zu viel“ Strom produzieren.
Im abgelaufenen Winter war Frankreich ein großer Profiteur des europäischen Strommarkts: Aufgrund technischer Probleme und aufgeschobener Wartungen war zeitweise die Hälfte der 58 Meiler nicht am Netz. Aber vor allem die deutschen Kraftwerke, auch sehr viele Erneuerbare, sprangen in die Bresche. Im Dezember etwa mit einer Nettolieferung von mehr als 1000 Gigawattstunden.
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